Pressetermin am 17. Juli 2013
Gute Pflege kommt an ihre Grenzen Mangelnde Refinanzierung und hohe Anforderungen an Pflegekräfte
Böblingen, 17. Juli 2013
Die württembergische Diakonie ist mit 190 ambulanten Pflegediensten und 220 Pfle- geheimen ein großer Anbieter in der Altenpflege in Baden-Württemberg.
Unser Anspruch als evangelischer Wohlfahrtsverband ist: Alte Menschen und ihre Angehörigen können von jedem Dienst und in jeder Einrichtung zu jeder Zeit eine gute Pflege und Betreuung auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes er- warten.
Immer schon hätten die Rahmenbedingungen dafür besser, die Arbeit ausreichend refinanziert sein können, in den letzten Jahren sind die Verhandlungen mit den Kos- tenträgern jedoch zunehmend schwieriger geworden.
Heute stehen wir vor der Situation, dass die gute Pflege auch bei großer Anstren- gung und viel gutem Willen der Pflegekräfte definitiv an ihre Grenze kommt.
Die Pflegedienste sind mit der stetig wachsenden Zahl schwer kranker oder demen- ziell erkrankter Menschen konfrontiert. Der Betreuungsbedarf in fast jedem Einzelfall steigt. Häufig sind die Angehörigen nicht mehr in der Lage, aufwändige Versorgung und Betreuung zu übernehmen.
Überzogene Dokumentationspflichten verursachen einen enormen Aufwand. Hier wird die Zeit der Mitarbeiter für Tätigkeiten gebunden, die für die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen fehlt.
Kernproblem ist aber die chronische Unterfinanzierung der ambulanten pflegerischen Versorgung. Hier geht die Schere zwischen Ausgaben einerseits und Finanzierung durch die Kassen stetig und immer spürbarer auseinander. Problematisch ist für uns – und übrigens auch für die Caritas -, dass die tariflichen Lohnsteigerungen der letzten Jahre im öffentlichen Dienst von den Kranken- und Pflegekassen nicht anerkannt werden.
Die lineare Tariferhöhung für Pflegekräfte der Diakonie in den Jahren 2012 und 2013 beträgt (analog dem TVöD-Tarif) insgesamt 6,4 Prozent, dazu kommen noch weitere Leistungsbestandteile, die von den Trägern ebenfalls übernommen werden müssen.
Die Krankenkassen haben für die häusliche Pflege eine Steigerung angeboten, die zwischen 2,0 und 2,6 Prozent liegt. Dadurch wird die Lücke zwischen den realen Pflegevergütungen und den Kosten von Jahr zu Jahr immer größer, zumal Sachkos- tensteigerungen (z.B. durch höhere Energiepreise) noch dazu gerechnet werden müssen.
Die Wohlfahrtsverbände in Baden - haben nun nach den erfolglosen Kassenverhand- lungen die Schiedsinstanz angerufen, da sie mit minimalen Vergütungserhöhungen einfach nicht mehr zu recht kommen. Der ökonomische Druck steigt also weiterhin an. 1
Den ambulanten Pflegediensten der Diakonie bleibt zur Zeit nichts anderes übrig, als den Personaleinsatz sehr knapp zu kalkulieren. Auf die Dauer ist dies jedoch für die Patienten und die Mitarbeitenden nicht tragbar.
Wie soll das alles bewältigt werden, ohne dass Pflegekräfte krank werden und die Zuwendung zu pflegebedürftigen Menschen leidet? Wie sollen junge Menschen für den Pflegeberuf gewonnen werden, wenn die Pflegearbeit nicht endlich mehr gesell- schaftliche Wertschätzung erfährt? Wie sind die Perspektiven der Pflege angesichts der Tatsache, dass bis 2030 zusätzlich 60 000 Pflegekräfte allein in Baden- Württemberg gebraucht werden?
Wie kann es gelingen, dass die tariflich vereinbarten Vergütungen für die Angestell- ten in der Pflege – es sind die Vergütungen, die auch im öffentlichen Dienst und bei den meisten Krankenkassen gezahlt werden – von den Krankenkassen und den So- zialhilfeträgern auch bei Pflegesatzverhandlungen anerkannt werden?
Den ambulanten Pflegediensten der Diakonie bleibt zur Zeit nichts anderes übrig, als den Personaleinsatz sehr knapp zu kalkulieren. Auf die Dauer ist dies jedoch für die Patienten und die Mitarbeitenden nicht tragbar.
Aus unserer Sicht ist das Verständnis dafür, dass gute Pflege nur mit einer ausrei- chenden Personalausstattung und mit motivierten Mitarbeitenden möglich ist, nicht mit den gestiegenen Ansprüchen an die Pflege mit gewachsen.
Die Gesellschaft erwartet gute Pflege – ist aber nicht bereit, dafür genügend Geld auszugeben.
Die Ausgaben der Kassen für die Häusliche Pflege sind in den letzten drei Jahren angestiegen. Das liegt aber nicht an höheren Vergütungen, sondern an der ständig wachsenden Zahl hoch betagter Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Nach wie vor scheint man in der Politik und bei den Kostenträgern der Auffassung zu sein, durch eine bewusste Inkaufnahme eines verschärften ökonomischen Drucks auf die Pflegeeinrichtungen den demografisch bedingten finanziellen Mehraufwand in den Griff bekommen zu können.
Diese Rechnung geht nicht auf. Wenn wir das gute Niveau unserer Pflege aufrecht- erhalten und wir gute und motivierte Pflegekräfte gewinnen und halten wollen, be- deutet dies: Wir müssen den Mitarbeitern die Zeit geben, die sie für eine gute Pflege brauchen. Und dafür müssen wir alle mehr Geld in das System der Kranken- und Pflegeversi- cherung einbringen.
Wir fordern deshalb:
• die Krankenkassen müssen den tatsächlichen Leistungsaufwand anerkennen und faire Vergütungen zahlen,
• das heißt auch, dass sie die Tariflöhne der Sozialstationen anerkennen müs- sen, 2
Wir fordern, dass
• mehr Geld ins System kommt, was bedeutet dass die Beiträge für die Pflege- versicherung deutlich angehoben werden müssen,
• den Abbau der Bürokratie, die Arbeitskapazitäten schluckt und letztendlich zu Lasten der versorgten Menschen geht.
17. Juli 2013
Johannes Kessler,
Diakonisches Werk Württemberg
Leiter der Abteilung Gesundheit, Alter, Pflege 0711- 1656 264
Böblingen, 17. Juli 2013
Die württembergische Diakonie ist mit 190 ambulanten Pflegediensten und 220 Pfle- geheimen ein großer Anbieter in der Altenpflege in Baden-Württemberg.
Unser Anspruch als evangelischer Wohlfahrtsverband ist: Alte Menschen und ihre Angehörigen können von jedem Dienst und in jeder Einrichtung zu jeder Zeit eine gute Pflege und Betreuung auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes er- warten.
Immer schon hätten die Rahmenbedingungen dafür besser, die Arbeit ausreichend refinanziert sein können, in den letzten Jahren sind die Verhandlungen mit den Kos- tenträgern jedoch zunehmend schwieriger geworden.
Heute stehen wir vor der Situation, dass die gute Pflege auch bei großer Anstren- gung und viel gutem Willen der Pflegekräfte definitiv an ihre Grenze kommt.
Die Pflegedienste sind mit der stetig wachsenden Zahl schwer kranker oder demen- ziell erkrankter Menschen konfrontiert. Der Betreuungsbedarf in fast jedem Einzelfall steigt. Häufig sind die Angehörigen nicht mehr in der Lage, aufwändige Versorgung und Betreuung zu übernehmen.
Überzogene Dokumentationspflichten verursachen einen enormen Aufwand. Hier wird die Zeit der Mitarbeiter für Tätigkeiten gebunden, die für die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen fehlt.
Kernproblem ist aber die chronische Unterfinanzierung der ambulanten pflegerischen Versorgung. Hier geht die Schere zwischen Ausgaben einerseits und Finanzierung durch die Kassen stetig und immer spürbarer auseinander. Problematisch ist für uns – und übrigens auch für die Caritas -, dass die tariflichen Lohnsteigerungen der letzten Jahre im öffentlichen Dienst von den Kranken- und Pflegekassen nicht anerkannt werden.
Die lineare Tariferhöhung für Pflegekräfte der Diakonie in den Jahren 2012 und 2013 beträgt (analog dem TVöD-Tarif) insgesamt 6,4 Prozent, dazu kommen noch weitere Leistungsbestandteile, die von den Trägern ebenfalls übernommen werden müssen.
Die Krankenkassen haben für die häusliche Pflege eine Steigerung angeboten, die zwischen 2,0 und 2,6 Prozent liegt. Dadurch wird die Lücke zwischen den realen Pflegevergütungen und den Kosten von Jahr zu Jahr immer größer, zumal Sachkos- tensteigerungen (z.B. durch höhere Energiepreise) noch dazu gerechnet werden müssen.
Die Wohlfahrtsverbände in Baden - haben nun nach den erfolglosen Kassenverhand- lungen die Schiedsinstanz angerufen, da sie mit minimalen Vergütungserhöhungen einfach nicht mehr zu recht kommen. Der ökonomische Druck steigt also weiterhin an. 1
Den ambulanten Pflegediensten der Diakonie bleibt zur Zeit nichts anderes übrig, als den Personaleinsatz sehr knapp zu kalkulieren. Auf die Dauer ist dies jedoch für die Patienten und die Mitarbeitenden nicht tragbar.
Wie soll das alles bewältigt werden, ohne dass Pflegekräfte krank werden und die Zuwendung zu pflegebedürftigen Menschen leidet? Wie sollen junge Menschen für den Pflegeberuf gewonnen werden, wenn die Pflegearbeit nicht endlich mehr gesell- schaftliche Wertschätzung erfährt? Wie sind die Perspektiven der Pflege angesichts der Tatsache, dass bis 2030 zusätzlich 60 000 Pflegekräfte allein in Baden- Württemberg gebraucht werden?
Wie kann es gelingen, dass die tariflich vereinbarten Vergütungen für die Angestell- ten in der Pflege – es sind die Vergütungen, die auch im öffentlichen Dienst und bei den meisten Krankenkassen gezahlt werden – von den Krankenkassen und den So- zialhilfeträgern auch bei Pflegesatzverhandlungen anerkannt werden?
Den ambulanten Pflegediensten der Diakonie bleibt zur Zeit nichts anderes übrig, als den Personaleinsatz sehr knapp zu kalkulieren. Auf die Dauer ist dies jedoch für die Patienten und die Mitarbeitenden nicht tragbar.
Aus unserer Sicht ist das Verständnis dafür, dass gute Pflege nur mit einer ausrei- chenden Personalausstattung und mit motivierten Mitarbeitenden möglich ist, nicht mit den gestiegenen Ansprüchen an die Pflege mit gewachsen.
Die Gesellschaft erwartet gute Pflege – ist aber nicht bereit, dafür genügend Geld auszugeben.
Die Ausgaben der Kassen für die Häusliche Pflege sind in den letzten drei Jahren angestiegen. Das liegt aber nicht an höheren Vergütungen, sondern an der ständig wachsenden Zahl hoch betagter Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Nach wie vor scheint man in der Politik und bei den Kostenträgern der Auffassung zu sein, durch eine bewusste Inkaufnahme eines verschärften ökonomischen Drucks auf die Pflegeeinrichtungen den demografisch bedingten finanziellen Mehraufwand in den Griff bekommen zu können.
Diese Rechnung geht nicht auf. Wenn wir das gute Niveau unserer Pflege aufrecht- erhalten und wir gute und motivierte Pflegekräfte gewinnen und halten wollen, be- deutet dies: Wir müssen den Mitarbeitern die Zeit geben, die sie für eine gute Pflege brauchen. Und dafür müssen wir alle mehr Geld in das System der Kranken- und Pflegeversi- cherung einbringen.
Wir fordern deshalb:
• die Krankenkassen müssen den tatsächlichen Leistungsaufwand anerkennen und faire Vergütungen zahlen,
• das heißt auch, dass sie die Tariflöhne der Sozialstationen anerkennen müs- sen, 2
Wir fordern, dass
• mehr Geld ins System kommt, was bedeutet dass die Beiträge für die Pflege- versicherung deutlich angehoben werden müssen,
• den Abbau der Bürokratie, die Arbeitskapazitäten schluckt und letztendlich zu Lasten der versorgten Menschen geht.
17. Juli 2013
Johannes Kessler,
Diakonisches Werk Württemberg
Leiter der Abteilung Gesundheit, Alter, Pflege 0711- 1656 264